Herr Wang verkauft Bananen. Sein hölzerner Stand ist auf einem Fahrrad montiert und hat schon so manche Banane kommen und gehen sehen.
Seine Hose ist blitzsauber, was ein Wunder ist, denn sein Fahrrad ist um die Kette herum dick mit Kettenfett beschmiert. In der Auslage hat er
dunkelgelbe Bananen, die sogar gegen den Autosmog anduften.
Als ich mich ihm nähere und er schon das Geschäft seines Lebens wittert
(Er weiß noch nicht, dass ich die chinesischen Zahlen und Handelsvokabeln beherrsche), lächelt er freundlich und winkt mich auffordernd zu sich herüber.
Während ich mich über die Auslage beuge, um die dickste und schönste Banane auszuwählen, beginnt er wild zu gestikulieren
und hält nervös fuchtelnd eine Plastiktüte bereit. Sein Lächeln ist nun zu einem Strahlen gewachsen. Einen kurzen Moment huscht das Bild der unfreundlichen Marktfrau an unserem örtlichen
Gemüsestand in Hessen an meinem inneren Auge vorbei. Ich frage ihn auf bestem Schanghainesich, was denn ein Jin (ein Pfund) koste?
Er schaut mich verblüfft an, als habe er mich nicht verstanden aber genau wissend, dass er mich verstanden hat.
Er sagt nichts und greift zum von allen Händlern benutzten Taschenrechner mit extra großem Display und tippt
ein paar Zahlen ein. „Viel zu teuer!“, wiegele ich geschickt und ohne auf das Display zu schauen ab. Herr Wang sagt kein Wort und greift erneut
zum Rechner. Ich frage ihn, ob er auch von der Wirtschaftskrise betroffen sei? Herr Wang schaut nun noch verdutzter als zuvor
und kramt weiter in seinem Bananenstand. Tillmann studiert an der Tongji Universität in Schanghai. Er wohnt auf dem Campus, um besser mit Chinesen in Kontakt zu kommen.
Seit der Politik der Reform und Öffnung Deng Xiao Pings in den 1980er Jahren hat sich vieles verändert in China. Besonders auffällig haben sich die Gesichter in
den Straßen verändert. Kurz nach dem Triumph der chinesischen Spiele von Peking im Sommer 2008 brach die Wirtschaftskrise auch über das Milliardenvolk zwischen
Himalaja und Pazifik ein. Auch Herr Wang spürt die Krise. Seitdem die LKW aus allen Teilen Chinas nicht mehr so häufig Waren aller Art in den gigantischen Hafen
von Schanghai zum Export liefern, haben sich auch seine Einkaufspreise erhöht. Er kauft seine Bananen aus Überschüssen der großen Fruchtlieferanten.
Die Überschüsse gelangen aber durch den verminderten Warenverkehr nicht mehr so zahlreich bis nach Schanghai. Die Transporteure verlangen Aufpreise,
weil auch ihre Löhne gesunken und sie für jede Fahrt dankbar sind.
Wangs Bananen sind nicht sehr ansehnlich, ganz und gar nicht mit den quietschgelben und
nahezu geschmacklosen Bananen in Deutschland vergleichbar.
Die Mutter einer chinesischen Freundin sagte mir einmal: “Kaufe immer das hässlichste Obst!
Unser Korrespondent
Tillmann
Ich bin froh, noch keine Menschentraube an Herr Wangs Bananenstand zu sehen und kaufe ihm 1 Pfund für 3RMB (ca. 35 Eurocent) ab.
Vielleicht 1 RMB zu viel,
aber der Preis scheint mir angemessen, als ich in die erste köstlich süße Banane beiße.
Kauend rufe ich Herrn Wang ein „Zeiwei“ (Schanghainesisch für ZaiJian/Auf Wiedersehen) hinterher.
Dieser hebt den Arm und ruft:„Ich verstehe nichts von Wirtschaft. Ich verkaufe Bananen.“
(Tillmann für second-day.de, 01. August 2009)